17/11/2025 0 Kommentare
Gastpredigt Ricardo Schlegel in der Gnadenkirche
Gastpredigt Ricardo Schlegel in der Gnadenkirche
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Gastpredigt Ricardo Schlegel in der Gnadenkirche

(Im Bild von links: Vikar Jonathan König, Generalsekretär Ricardo Schlegel, Pfarrer Michael Hoffmann in der Gnadenkirche Bottrop-Eigen)
Am Sonntag, 16.11.2025 war Ricardo Schlegel, Generalsekretär der Ev. Kirche am Rio de la Plata (Argentinien) zu Gast in unserer Gemeinde. Seine Predigt in der Gnadenkirche hier im Wortlaut: Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen
Grüße aus der IERP
Predigttext: 1 Petrus 5: 6-9
In diesem kraftvollen und mahnenden Text, ruft Petrus, der sogenannte Apostel der Hoffnung, die Gemeinde dazu auf, im Glauben standhaft zu bleiben. Petrus ermutigt uns, angesichts von Verfolgung und Leid in Demut zu verharren und unsere Hoffnung fest auf Christus zu setzen.
Petrus jedoch betrachtete die Verfolgung als eine “Prüfung” – und zwar in zweifacher Hinsicht. Zum einen wird jede Form der Verfolgung zur Bewährungsprobe des Glaubens. Zum anderen gilt: Nur wer auch in schweren Situationen zu seinem Glauben steht, wird überhaupt verfolgt werden. Wer sich der Welt anpasst, wer sich dem System fügt, ohne es in Frage zu stellen, ohne ein prophetisches Zeugnis abzulegen, wird nicht verfolgt werden. Doch stellt sich die Frage: Trägt ein solcher Mensch überhaupt das Wesen eines Christen oder einer Christin in sich?
Ich habe die Erfahrung, dass die Weltlage heute sehr wenig in Frage gestellt wird. Man guckt höchstens die Nachrichten, aber wenn es mich nicht betrifft, mir nicht nah ist, ist es einfach wie ein Film, den ich sorgenlos angucke.
Aber. Andererseits überrascht es niemanden, dass Schwierigkeiten ein Teil des Lebens sind. Alle kennen wir aus nächster Nähe die Probleme, die Herausforderungen, die Prüfungen des Lebens – sei es schlechte Gesundheit, ein leeres Bankkonto, Liebeskummer, der Verlust eines Arbeitsplatzes, ein Verrat, und die Liste könnte immer weitergehen...
Diese Erfahrungen sollten uns jedoch nicht zwangsläufig schwächen. Im Gegenteil.Die Probleme, denen wir uns täglich stellen, offenbaren, wie sehr wir den Herrn benötigen. Petrus spricht auch davon, dass wir uns unter die mächtige Hand Gottes demütigen sollen. Dieser Ausdruck, der aus dem Alten Testament stammt – „Mit starker Hand hat der Herr dich aus Ägypten geführt“ – veranlasst Petrus zu sagen, dass Gott seine Kinder leiten und ihnen Orientierung geben wird. Die Idee ist, dass die mächtige Hand Gottes im Schicksal seines Volkes wirkt, wenn die Menschen demütig und treu seine Führung annehmen. Es ist wichtig zu sagen, dass wir angesichts von Ungerechtigkeiten handeln müssen, aber ohne zu vergessen, dass es Gott ist, dessen Hand über allem steht. Er braucht unsere Standhaftigkeit, aber auch unsere Gelassenheit, damit nicht die Angst, sondern der Wille Gottes in uns wirkt. Wir wissen, dass wir nicht allein sind, und dass es Gott ist, der uns bewegt und beschützt.
Als Kind hörte ich meiner Großmutter zu, die eines Tages ihre Heimat und ihre Familie an der Wolga in Russland verlassen musste. Davor musste sie meinen Großvater Schlegel heiraten, denn sie war damals erst 20 Jahre alt. Mit einer Gruppe von Menschen durchquerten sie viele Wege Europas. Meine Großmutter erzählte mir, dass einige auf dem Weg zurückgeblieben sind. Später habe ich verstanden, dass sie gestorben waren. An Krankheiten, aus Schwäche, vielleicht aus Hoffnungslosigkeit. Tatsache ist, dass sie nach langem Wandern Bremenhaven erreichten. Während sie dort auf die Abfahrt ihres Schiffes wartete, betete sie zu Gott: „Gott, in deine Hände legen wir unseren Weg und das, was kommen wird. Das Leiden und der Schmerz bleiben zurück. Aus diesem Leid haben wir gelernt, und das, was kommen wird, wird gut für uns sein.“
Aus dieser Demut und Stärke haben wir, ihre Nachkommen, gelernt.
Meine Großeltern wurden durch ihren Glauben getragen und es war ihren Halt. Ihre Überzeugung ließ sie erkennen, dass sie nicht allein waren. Sie waren nicht verbittert über den Schmerz, den sie erlitten hatten. Den Rest ihres Lebens waren sie dankbar – Gott und dem Leben, das ihnen zwölf Kinder und 34 Enkelkinder schenkte.
Ihre Stärke und ihr Glaube haben mich immer tief beeindruckt.
Vielleicht kam ihre Stärke und ihr Glaube aus dem, was sie durchgemacht hatten? Ich weiß es nicht.Aber ich weiß, dass genau das einer der Gründe ist,warum ich heute hier bin, wo ich bin.
Petrus sagt uns, dass das Opfer, dass Gott von uns verlangt, nicht von seiner Liebe getrennt ist. Er sagt, dass das Opfer uns vervollkommnen (oder wiederherstellen) wird, dass es uns Überzeugung und Gewissheit schenken wird. Vielleicht wird es eine Weile dauern, sagt Petrus. Aber es wird kommen. Es wird uns stärken.
Und Petrus ermahnte die ersten Christen nicht nur aus der Theorie heraus. Er wusste ganz genau, wovon er sprach, wenn er über das Opfer nachdachte. Er war selbst ein Beispiel für das, was er sagte. Er sagt uns auch nicht, dass wir unsere Sorgen einfach ablegen und nichts tun sollen. Im Gegenteil – mit dieser Demut und diesem Vorbild sollen wir “Autorität” sein.
Ein Beispiel aus Hohenau, wo ich hier die Schule und Schülerwohnheim geleitet habe. In der Schule hatten die Lehrerinnen die Bedeutung gesunder Ernährung sowie die Eigenschaften von Gemüse und Obst gelehrt. Nach einiger Zeit kam der Kindertag, und da es ganz viele Schüler gab, kauften wir für die Feier abgefüllten (synthetischen) Saft mit künstlichem Aroma. Die Schüler weigerten sich, ihn zu trinken, und fragten uns, was wir ihnen denn beigebracht hätten... und da wurde uns unser Fehler bewusst.
Wir, die wir Lehrer und Eltern sind, wissen, wovon wir sprechen, wenn wir vom Vorbild sein reden. Es reicht nicht aus, nur Inhalte zu vermitteln und motivierenden Unterricht zu unterrichten – wir müssen auch konsequent leben, was wir lehren. Das heißt, dass das, was wir „predigen“, auch gelebt und praktiziert werden muss, damit das, wovon wir überzeugt sind, auch andere „anstecken“ kann – andernfalls stößt es eher auf Ablehnung.
Und wenn wir kein Vorbild sein können, laufen wir Gefahr, unsere Autorität zu verlieren. Autorität hat man nicht einfach, weil jemand sagt, dass eine Person der Chef ist – wahre Autorität hat jemand (unabhängig von seinem Diplom), wenn sein Handeln mit seinen Worten, übereinstimmt. Eine solche Person erweckt Respekt und wird mir zum Vorbild.
Und Autorität sollte nicht als das Recht verstanden werden, am meisten zu befehlen oder am lautesten zu schreien, sondern als ein Dienst – in Demut und auch in Ehrfurcht vor Gott. Denn ihm sind wir letztlich verpflichtet.
Aus unserem Glauben heraus gesprochen: Wenn wir verstehen, dass der einzige Herr, die einzige Autorität in der Kirche unser Herr Jesus Christus ist, und dass wir alle – unabhängig von der Autorität, die wir zu haben meinen – in seinem Dienst stehen, dann werden wir begreifen, was Petrus über Demut sagt.
Je „höher“ der Rang, desto mehr stehen wir im Dienst des anderen, der Kirche und der Diakonie.
Außerdem ruft Petrus dazu auf, standhaft im christlichen Glauben zu bleiben. Der Teufel, sagt Petrus, ist stets auf der Suche nach jemandem, den er zugrunde richten kann. Wahrscheinlich erinnerte sich Petrus selbst daran, wie der Teufel ihn einst zu Fall gebracht hatte, als er den Herrn verleugnete.
Heute bedeutet christliche Standhaftigkeit, dass wir uns in der Hingabe an den Herrn stärken – im Bewusstsein dessen, aus welcher Quelle unser Glaube stammt. Es bedeutet, dem Individualismus, der Gleichgültigkeit, der Lieblosigkeit und der (oft gerechtfertigten?) Gewalt zu widerstehen. Es bedeutet, nicht die Augen und Ohren vor dem Ruf des Schwächsten zu verschließen.
Wenn im Petrusbrief Teufel steht, dann ist das der Diabolus. Das bedeutet wörtlich: Der, der verwirrt, der Durcheinanderbringer.
Ich sehe dafür heute viele Beispiele; Viel Falsches wird als Wahrheit verkauft. Vieles ist weit weg von unseren Werten: Ehrlichkeit, Solidarität Empathie, Ethik, Gutmüdigkeit etc.
Bei uns in Argentinien werden heute viele mühsam errungene Rechte in Frage gestellt. Rechte, die wir mit Kraftanstrengung, Kampf und Blut erreicht haben, für die Menschen mit ihrem Leben bezahlt habe, werden einfach abgeschafft. Auch die Demokratie und grundlegende Menschenrechte werden in Frage gestellt. Gleichgültigkeit und Individualismus sind verbreitet.
Vor diesem Hintergrund macht Petrus Hoffnung. Er spricht die Christen an, dass sie mit vollem Vertrauen zu Gott beten und ihm ihre Probleme und Sorgen anvertrauen dürfen. Gott schätzt die Demütigen und verspricht, sie zu belohnen.
Auf diesem Weg des Glaubens – im Vertrauen darauf, dass Er uns vollenden, stärken und als Kirche und Gemeinschaft festigen wird. Er ist uns Licht für unsere Mission: nähmlich dem Evangelium Jesu Christi treu zu bleiben. Er verwandelt uns und fordert uns heraus, sein Werkzeug des Friedens zu sein.
Als Kirchen fordert er uns heraus, auf dem Weg der Ökumene weiterzugehen: Wir haben so viele gemeinsame Sorgen, viele Themen, vor denen wir Angst haben. Wenn wir von- und miteinander lernen, wird uns das helfen, dem Evangelium treu zu bleiben.
Ich wünsche, dass Gott euch und uns ermutigt und uns die Weisheit und Orientierung durch das Evangelium schenkt, damit wir klare Schritte gehen zu Gunsten (?) von vielen Menschen, die an der Seite des Friedens und Gerechtigkeit stehen. Besonders in dieser Zeit, wo wir klare Stellung beziehen müssen, und zwar nicht individuell, sondern gemeinsam und ökumenisch.
Und der Friede Gottes, der alle Vernunft übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in Christus Jesus bewahren. Amen.
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